Illustration: Eine Person vor einer MRT-Röhre - von zwei Seiten wirken Blitze ins innere der Röhre.

Wenn die Röhre gefährlich anziehend ist BGW magazin 2/2024

Welch ungeahnte Kräfte ein Magnetfeld entwickeln kann, zeigt ein Unfall in einer radiologischen Praxis. Das MRT war Ausgangspunkt für eine "fliegende" Sauerstoffflasche – mit ernsten Folgen. Was sich daraus lernen lässt.

Was ist ein MRT?

Ein Magnetresonanztomograph – auch: Kernspintomograph, landläufig: "Röhre" – dient unter anderem der nicht invasiven Untersuchung von Menschen und Tieren. Im Inneren befindet sich ein Supraleiter, der ein sehr starkes Magnetfeld erzeugen kann. Aus dem Messsignal bei der Untersuchung lässt sich ein zwei- oder dreidimensionales Bild erstellen. Bei der Untersuchung wird es oftmals sehr laut, das liegt am Messverfahren.

Was ist passiert?

Als ein Notfallpatient im MRT einer radiologischen Praxis untersucht werden soll, zieht das Magnetfeld eine Sauerstoffflasche an. Sie fliegt unkontrolliert in den Tunnel des MRT und trifft dabei eine Beschäftigte der Praxis an der Hand – diese schreit laut vor Schmerzen. Das Ventil der Sauerstoffflasche wird beschädigt, es gibt einen Knall und lautes Zischen – der Sauerstoff strömt unter großem Druck aus. Die Flasche kommt erst in der Röhre des MRT zum Stillstand. Die Beschäftigte erleidet schwere Verletzungen an der Hand, sämtliche anwesende Personen stehen unter Schock.

Illustration: MRT-Röhre mit Blitzen an den Seiten, die auf einen Kugelschreiber und einen Schlüsselbund zielen

Das MRT bietet für Patientinnen und Patienten eine unschädliche, sichere und nicht invasive Untersuchungstechnik, die die Diagnose positiv unterstützen kann. Umso wichtiger ist es, dass auch sichere Rahmenbedingungen für den MRT-Einsatz geschaffen werden.

Was macht die Nutzung des MRT gefährlich?

Die Gefährdung geht in erster Linie von dem starken Magnetfeld aus. Gegenstände können davon so massiv angezogen werden, dass sie sich nicht mehr festhalten lassen. Daher dürfen keine magnetischen Gegenstände in den Raum mitgenommen werden. Patientinnen und Patienten müssen vor der Untersuchung alle metallischen Gegenstände ablegen – Handy, Geldbörse, Gürtel, Hilfsmittel wie Unterarmgehstützen, Hörgerät oder Rollator. Das Personal vor Ort kann mit nicht magnetischen Hilfsmitteln aushelfen.

Das Personal muss außerdem über metallische Implantate wie künstliche Gelenke, Herzschrittmacher/Defibrillator oder Zahnimplantate informiert werden. Während nicht elektronische Implantate tendenziell kein Problem darstellen – sie sind meist aus Titan und daher nicht magnetisch –, muss beispielsweise der Herzschrittmacher in einen speziellen MRT-Modus versetzt werden, sofern dies möglich ist.

Welche Lösungen sind etabliert?

Für den Transport von Menschen zum MRT gibt es nicht magnetische Liegen, Rollstühle und Gehhilfen. Sämtliche Gegenstände, die mit in den MRT-Raum sollen, sind vorher zu testen – hierfür reicht schon ein handelsüblicher Magnet. Dieser sollte so angebracht oder beschaffen sein, dass er nicht versehentlich in einer Tasche selbst mit in den Raum kommt. Manchmal wird der Magnet deshalb an einen Stock geklebt oder mit einer Kette oder einem Band festgebunden.

Das Personal ist meist geschult und klopft regelmäßig die eigenen Hosen- und Hemdtaschen ab – viele haben vermutlich schon herumfliegende Kugelschreiber oder ein Ziehen am Namensschild erlebt.

Für besondere Einsätze wie Reparaturen im Raum gibt es nicht magnetisches Werkzeug. Für den Brandfall müssen im Vorraum nicht magnetische Feuerlöscher bereitgehalten werden.

Über die Gefahren des MRT ist das Personal mindestens jährlich zu unterweisen. An den Zugangstüren befinden sich bereits herstellungsseitig angebrachte Warn- und Hinweisschilder. 

Wie kam es trotzdem zu dem Unfall?

Die radiologische Praxis, in der sich der Unfall ereignete, ist an das örtliche Krankenhaus angegliedert. Am Unfalltag wurde ein Notfallpatient kurzfristig zur MRT-Untersuchung gebracht – es war Eile geboten. Eine Ärztin und ein Pfleger aus dem Krankenhaus halfen vor dem MRT-Raum, den Patienten von der Krankenhausliege auf die MRT-taugliche Liege umzubetten. Währenddessen bereitete das MRT-Personal bereits die Untersuchung im Raum vor.

Dem MRT-Personal fiel auf, dass die Ärztin aus dem Krankenhaus an der MRT-Liege hantierte, was eher ungewöhnlich ist. Auf die Frage, was sie da mache, hob sie die Sauerstoffflasche an, die sie gerade von der Krankenhausliege genommen hatte. Durch diese Bewegung kam die Sauerstoffflasche in Reichweite des Magnetfelds und wurde mit starker Kraft angezogen.

Wie hätte sich der Unfall verhindern lassen?

Es kamen mehrere ungünstige Faktoren zusammen:

  • Das MRT stand relativ nah an der Zugangstür.
  • Notfälle sind im Alltag der Praxis die Ausnahme.
  • Das Begleitpersonal aus dem Krankenhaus war nicht zu den Gefahren des MRT geschult und hantierte zu nah daran.
  • Die Sauerstoffflasche war nicht für das MRT geeignet.

Die Ärztin wollte nur helfen. Trotzdem entwickelte sich innerhalb weniger Sekunden ein schwerer Unfall. Das macht deutlich, wie wichtig vor allem die regelmäßige Unterweisung aller beteiligten Beschäftigten ist – egal ob sie häufig oder nur ab und zu vor Ort sind.

Diese Verpflichtung zur Unterweisung ergibt sich unter anderem aus § 6 DGUV Vorschrift 1 1 : Im Rahmen der Zusammenarbeit mehrerer Unternehmerinnen und Unternehmer müssen diese ihre Arbeiten und die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes aufeinander abstimmen und gemeinsam für die Sicherheit ihrer jeweiligen Beschäftigten sorgen.

Hier wurde im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nicht betrachtet, dass fremde Mitarbeitende über die Gefahren vor Ort informiert werden müssen und dass gegebenenfalls weitere Maßnahmen zum Schutz von Mitarbeitenden sowie von Patientinnen und Patienten notwendig sein können.

Was hat sich getan?

Die verletzte Person wurde in einer BG-Klinik behandelt und kann ihre Hand wieder nahezu ohne Einschränkung verwenden. Eine Person mit Schock wurde im Rahmen des BGW-Psychotherapeuten-Verfahrens betreut und auch ihr geht es wieder gut. Der Schaden am MRT und der vorübergehende Stillstand bei den Untersuchungen machte der Praxis zunächst zu schaffen.

Wichtigste Änderung: In der Praxis werden nun die Unterweisungen aller Mitarbeitenden abgesprochen. Große Warnaufkleber am Boden (STOPP) lassen jetzt praxisfremde Personen zumindest kurz innehalten, sodass das eigene Personal mehr Zeit zum Handeln hat.

Das ist wichtig

Risiken kennen: Ein MRT ist ein Magnet, der immer an ist, selbst wenn das MRT gerade keine lauten Geräusche macht. Die Gefährdung durch das Magnetfeld kann der Mensch mit seinen Sinnen nicht erfassen. Spürbar wird sie erst, wenn ein Gegenstand angezogen wird.

Unterweisen: Alle Personen, die in die Nähe dieses Magneten kommen könnten, müssen über die Gefährdungen unterwiesen werden. Das gilt insbesondere auch für Reinigungskräfte, handwerkliches Personal und Angehörige anderer Einrichtungen, zum Beispiel Begleitpersonen aus Pflegeheimen.

Aufmerksam machen – Maßnahmen prüfen: Schranken, Zugangsbeschränkungen oder Ähnliches sind im Arbeitsalltag eines Krankenhauses oder einer radiologischen Praxis nicht sinnvoll umsetzbar. Deshalb müssen Maßnahmen wie regelmäßige Unterweisungen und auffällige Warnschilder konsequent umgesetzt und auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.

Von: Dr. Eberhard Munz

  1. Zudem greift § 19 „Unterweisung der Beschäftigten“ der Arbeitsschutzverordnung zu elektromagnetischen Feldern (EMFV).